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Genuss & Qualität

Copyright: NACM

Die Geschmacksunterschiede sind bei Cider ebenso vielfältig wie bei guten Weinen. Hunderte von Apfelsorten sowie die Möglichkeit, diese miteinander zu verschneiden (Blending), eröffnen eine facettenreiche Bandbreite verschiedener Geschmacksrichtungen: vom traditionell herben Cider mit einem komplexen Aroma bis hin zu leichten, fruchtigen Cidern.

 

"The constant use of this liquor ... had been found by long experience
to avail much to health and long live, preserving the drinkers of it
in their full strength and vigour even to very old age"

John Worlidge, A Treatise on Cider, 1676

 

Der Alkoholanteil kann erheblich variieren und liegt zwischen 1,2% und 8,5%. Cider mit geringem Alkoholgehalt sind eher lieblich und können eine leichte Vanille-Note aufweisen. Alles, was mehr als 8,5% beinhaltet, heißt bei den Briten offiziell "Fruit Wine" und wird nicht mehr als Cider gehandelt. Wenn Sie also auf einen sogenannten Cider stoßen, der im zweistelligen Prozentbereich liegt, dürfte es sich dabei mit großer Wahrscheinlichkeit um ein ausländisches Produkt handeln. Grund: Die Alkoholsteuer in Großbritannien ist seit den 1970ern ab einem Alkoholgehalt von 8,5% entschieden teurer als für Produkte, deren Alkoholgehalt unter dieser Grenze liegt. Mit ein Grund für Merrydown, seinerzeit von 13%igem Apfelwein auf Cider umzusatteln - mit Erfolg.


Perry

 
Perry ist vom Prinzip her das gleiche wie Cider, statt Äpfel werden jedoch Birnen verarbeitet. Der Marktanteil im Vergleich zu Cider liegt in Großbritannien bei rund 5 %, was vor allem der Tatsache geschuldet ist, dass in England relativ wenig Birnen angebaut werden, insbesondere Most-Birnen. Denn auch für Perry gilt: Nicht jede Frucht, die man essen kann, taugt auch für die Pressung: Mostbirnen sind im Vergleich zu Tafelbirnen hocharomatisch, aber auch saurer, und entsprechend geeigneter für die Pressung. Cider und Perry dürfen miteinander verschnitten werden, vor allem zur Verfeinerung und Abstimmung des Aromas. Der Anteil der Beigabe darf bis zu 25 % betragen, sprich: Ein Cider ist auch dann noch ein Cider, wenn das Produkt zu 25 % aus Birnensaft besteht, dasselbe gilt entsprechend für Perry. Allerdings wird heutzutage kein Produzent seinen Cider mit Birnensaft "strecken" - der ist dafür schlicht zu wertvoll.


Anspruch und Umsetzbarkeit

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Idealerweise bezieht man Cider direkt von einem Anbieter vor Ort, der das wertvolle Gut ausschließlich aus dem fermentierten Saft frisch gepresster Äpfel herstellt. Das fördet lokale Produzenten und funktioniert hervorragend, wenn man in England lebt und der nächste lokale Erzeuger auch tatsächlich ums Eck wohnt. Wenn Sie aber einen Cider möchten, der nicht 'still' ist, sondern 'sparkling', der pasteurisiert ist, damit er lange Transportwege nach Deutschland übersteht und nach dem Öffnen nicht gleich umkippt, den Sie also getrost für etliche Monate einlagern können, und bei dem auch noch das Preis-Leistungsverhältnis stimmt: Dann muss man gewisse Kompromisse eingehen - mit denen man aber guten Gewissens leben kann, wie wir finden.

 


Was ist enthalten?

 
Deshalb stehen wir auch zu denjenigen Produkten, bei denen vertretbare Anteile von Zucker bzw. Wasser zugesetzt werden. Zur Ciderherstellung ist diese Zugabe meist sogar notwendig, vgl. dazu das Kapitel "Herstellung" (wobei englisches Trinkwasser sehr viel sanfter ist als deutsches Wasser. Entkalken ist für die Briten ein Fremdwort, Tee-Freunde schwören auf die Qualität britischen Wassers).
Fotolia_23364640_XS.jpg In der Praxis ist es jedoch meist alles andere als einfach, einen richtig guten Cider auf Anhieb zu erkennen, denn momentan darf sich in Großbritannien alles Cider nennen, was mindestens 35 % fermentierten Apfelsaft enthält, auch Süßstoff ("Sweetener", v. a. Saccharin) darf höchst offiziell beigegeben werden - was öfter vorkommt, als man meinen sollte. Discount-Cider enthält mit etwas Glück gerade einmal zur Hälfte vergorenen Apfelsaft - der zum Großteil aus Konzentrat gewonnen wird, das wiederum vom anderen Ende der Welt importiert wird, wenn es ganz dicke kommt. Da mag das Marketing noch so sehr suggerieren, dass die Äpfel aus Englands idyllischen Orchards stammen - völlig unmöglich, wenn globale Groß-Konzerne das ganze Jahr über produzieren müssen und nicht auf Erntezeiten Rücksicht nehmen können.
Auch die Deklarierung stellt auf der Insel ein Buch mit sieben Siegeln dar. Das Etikett gibt meist nur darüber Aufschluss, dass Sulphite enthalten sind - das war's. Mit anderen Worten: Der Panscherei ist Tür und Tor geöffnet. Ob der Cider nun tatsächlich im großen und ganzen aus Apfelsaft besteht oder gerade einmal zur Hälfte, das lässt sich bei britischer Ware nicht aus dem Etikett ersehen. Aufschlussreicher ist da schon die Deklaration von expliziter Exportware, da die Bestimmungen der entsprechenden Länder zum Teil deutlich strenger sind.


Entscheiden Sie selbst

Eine - zugegebenermaßen grobe - Faustregel lautet: je kleiner der Hersteller, desto reiner der Cider. Machen Sie doch einfach mal den direkten Vergleich zwischen dem Discount-Cider einer globalen Marke und einem echten Premium-Cider, z. B. von Gwynt y Ddraig. Wetten, dass Ihr Urteil eindeutig ausfallen wird? Vertrauen Sie einfach Ihrem Geschmack!

"Cider does relax the belly ... aid concoction, depress vapours, resist melancholy, spleen, pleurisy, strangury,
and being sweetened with sugar abate inveterate colds."

John Evelyn, Sylva - Pomona, 1664

Quellen: NACM, www.real-cider.co.uk, B. Watson: Cider - hard and sweet, Woodstock 2009, J. Russell: The naked Guide to Cider, Bristol 2010

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